Seit ein paar Jahren führe ich eine Art Tagebuch – Modern „Journal“ -, indem ich Diskussionen mit mir selbst führe. Das ist nichts Neues und auch Dir empfahl ich es bereits.
Aktuell durchlebe ich eine Zeit, in der ich weniger Zeit am Handy, Tablet oder Computer verbringen möchte und mehr Zeit mit Dingen, die ich eigentlich tun will. Digital Detox ist das nicht! Sondern vielmehr eine Auseinandersetzung mit einer Sucht und dem Versuch eine nachhaltige Verhaltensänderung herbeizuführen.
Vor einer Woche ist mir eine meiner Diskussionen aus dem Jahr 2018 in die Hände gefallen. Eine Diskussion über die Sucht nach Neuem und auch über das Aufschieben von wichtigen Dingen. Und das will ich mit Dir teilen.
Verfasst 16.12.2018
Die Sucht nach Neuem
Seit vielen Monaten sehe ich mich zunehmend mit meiner Online und Internet Sucht konfrontiert. Seit kurzem denke ich, dass diese vielleicht auf den Persönlichkeitsaspekt „Offenheit für neue Erfahrungen“ zurück geführt werden kann, welcher bei mir stark ausgeprägt ist. Ich vermute, dass dieser so stark ausgeprägt ist, dass er sich derzeit als Sucht manifestiert.
Jeden Tag konsumiere ich so viele neue Informationen über das Internet, dass dies nicht mehr als normal oder gesund angesehen werden kann. Selbst in diesem Augenblick denke ich daran nachzuschlagen, was die Kriterien einer Sucht sind. Das tue ich jetzt nicht! Denn mir ist klar, dass mich die Sucht daran hindert ein Leben zu führen, in denen meine Ziele, Hobbies und Routinen den größten Zeitraum einnehmen.
Das ist krankhaft und schädigt mir dauerhaft und kurzfristig. Aber ich kann auch offen über das Problem reden und teile meine Erkenntnisse – ich verstecke es nicht.
Wie kann ich lernen damit zu leben? Ist es vielleicht gar kein so schlimmes Problem?
Gerne bezeichne ich die Sucht nach Neuem als Problem, obwohl es gleichwohl eine Stärke sein kann. Nicht die Sucht per se ist krank, sondern wie ich sie auslebe. Neben dem Konsum von neuen Informationen hätte sie sich auch in Erlebnissen, Eindrücken, Erfahrungen, Geschmäckern, Bekanntschaften, Tönen, Gerüchen, Büchern, Ergebnissen oder Texturen manifestieren können.
Aufgrund der Einfachheit des Konsums von digitalen Inhalten und meiner Neigung zu visuellen Reizen – sowie einem gewissen Hang zur Bequemlichkeit – beschränkt es sich einfach auf diese Art des Konsums.
Aus meiner Erfahrung mit Sport und Kalt Duschen in Bezug auf Disziplin, persönliche Freiheitsgrade und Gewohnheiten weiß ich, dass ich mich durch Willen zu allem überwinden kann. Jedoch spielt meine kognitive Faulheit bei diesen eher physischen Zwängen mit: Gehirn aus & durch!
Das ist insofern von Bedeutung, da mein Wunsch nach einer Umwandlung meiner Sucht in etwas sinnvolles entgegen dieser Tendenz steht.
Wie wäre es mit einer Sucht nach Lesen, Podcasten, Schreiben oder anderen eher intellektuelle oder bildenden Tätigkeiten?
Lange Zeit hatte ich das besser im Griff. Fast ein Jahr lang meditierte ich täglich, schaffte sogar über 3 Monate ohne Social Media. Der Motivator war hier der Abschluss meiner Thesis.
Als ich dachte ich hätte alles im Griff und könnte auf eigenen Beinen stehen, kündigte ich meinen Job. Plötzlich war ich auf mich allein gestellt, hatte weniger sozialen Kontakt und vernachlässigte alles wofür ich stand und hart gearbeitet hatte. Ich härte auf mit den Routinen und frönte der täglichen Internetsucht und verlor komplett meinen Fokus.
Aber vielleicht hatte ich den nie und das alles brachte nur zutage, was die ganze Zeit über da gewesen ist!
Das aktuelle Jahr in der Retrospektive war dennoch nicht erfolglos und sollte daher nicht als gescheitert betrachtet werden. Meine Fähigkeiten in Reflexion und Selbstehrlichkeit haben sich verbessert und auch sportlich habe ich vieles erreicht.
Was jedoch unbestreitbar als bitterer Beigeschmack bleibt, ist die viele verlorene Lebenszeit, die ich YouTube, Instagram, Twitter und Facebook geschenkt habe. Nur die Hälfte der Zeit in Bücher investiert und ich hätte so viel gelesen, wie ich mir vorgenommen hatte.
Und vielleicht liegt hier das Problem:
Meine Ziele sind zu hoch gesteckt. Auf den Tag gebrochen erreichbar, aber insgesamt zu wenig Luft zum Denken. Dadurch etabliert sich im Alltag schnell eine „Mach-ich-Morgen-Mentalität“ (MMM), die dazu fährt, dass ich kein Stück von dem geschafft habe, was ich wollte. Alles in meinem Leben passiert MORGEN!
Wie kann ich lernen mich nur auf heute und das was heute wichtig ist zu konzentrieren?
Das Konzept sich nur auf heute zu konzentrieren ist mir nicht neu. Vielleicht hat der Dalai Lama eine Antwort darauf.
The Dalai Lama when asked what surprised him most about humanity, answered:
„Man. Because he sacrifices his health in order to make money. Then he sacrifices money to recuperate his health. And then he is so anxious about the future that he does not enjoy the present; the result being that he dies not live in the present or the future. He lives as if je is never going to die, and then dies having never really lived.“
Memento Mori – Sei dir deiner Sterblichkeit bewusst
Dieser Gedanke verfolgte mich gestern beim Joggen:
Wie soll ich denn jemals erreichen, was ich mir vornehme, wenn ich es mir immer für „Morgen“ vornehme? Ich lebe „Morgen“ hinterher!
Ins Extreme gekehrt: Wahrscheinlich denke ich deswegen manchmal, dass ich Todkrank sein, nur um mich auf das konzentrieren zu können, was ich wirklich will. Die berühmte Liste mit den Dingen für die letzten Tage schleicht sich hier in meine Gedanken.
Jeff Bezos sagt „Everyday is Day One“. Er bietet es ja an: Jeder Tag ist Tag Eins. Und eigentlich dachte ich immer, dass er damit meint, dass wir jeden Tag mit neuer Kraft für die Zukunft beginnen sollen. Was, wenn es nie einen zweiten Tag gibt? Was, wenn ich nur heute habe? Wenn man nur HEUTE lebt?
Der Verstand meldet sich: „Das ist falsch. Denn üblicherweise hat alles was wir tun einen Vergangenheits- und Zukunftaspekt inneliegend.“ Wie können nicht nur HEUTE leben oder? Aber was, wenn du morgen einfach nicht mehr aufwachst? Hast du dann heute erledigt, was du tun wolltest, damit HEUTE ein glücklicher Tag ist?
Klar, nur weil ich „heute“ gerne eine Weltreise machen wollte, heißt das nicht, dass ich das auch sofort machen kann. Schließlich fehlen die Ressourcen dafür. Jedoch habe ich die Möglichkeit die Dinge zu tun, die mich heute glücklich machen und gleichzeitig – und darauf kommt es an! – kann ich die Weichen für ein mögliches „Morgen“ stellen, sodass – gesetzt dem Fall ich habe morgen ein neues „Heute“, ich weiter daran arbeiten kann.
Sei dir deiner Sterblichkeit bewusst! Bereits Heute kann dein letztes Heute sein. Du kannst nichts auf Morgen schieben, wenn es kein Morgen gibt! Es gibt nur heute und vielleicht kannst du dich glücklich schätzen, dass du Morgen ein neues Heute erlebst.
Mach dir das jeden Tag klar!
Vielleicht geht es dann plötzlich nicht mehr um Neues in Form von Informationen. Sondern um Neues in Form einer Entwicklung. Leben heißt Veränderung. Veränderung ist die einzige Konstante die zählt. Verändere ich mich, lebe ich. Lebe ich Heute, erhalte ich Morgen.
Was bleibt ist die Frage: Kann die meine Sucht nach Neuem transformieren? Zu etwas auf das ich stolz bin? Mit der ich Heute nutze statt nur zu konsumieren? Sie für etwas nutze, dass meiner Entwicklung nützt? Da ich nun kein Morgen mehr habe, auf das ich etwas schieben kann: Was will ich Heute tun?
Vielleicht lese ich mehr, schreibe einen Blogbeitrag oder mache etwas anderes kreatives, erschaffendes. Ich liebe es zu lernen, produktiv zu sein und mich zu entwickeln.
Gandhi sagt: „Live as if you were to die tomorrow. Learn as if you were to live forever.“
Das klingt doch nach einem Anfang.