Kritik an Persönlichkeitsentwicklung

Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit Persönlichkeitsentwicklung. Sowohl für mich selbst als auch hier auf dem Blog. Aber irgendwann stellte ich fest, dass das Bild, welches ich davon hatte, nicht ganz stimmte. Und das liegt daran, wie ich die Persönlichkeitsentwicklung betrachtete.

Persönlichkeitsentwicklung verspricht die Weiterentwicklung von sich selbst, das Wachstum deiner Persönlichkeit. Aber wie genau soll das aussehen, dieses Wachstum? Ich habe es mir selbst immer wie eine Pflanze vorgestellt, die ich nur ausreichend gießen und pflegen muss. Dann kommt das Wachstum von ganz alleine!

Und genau da lag mein Problem: Ich habe mich auf Wachstum. Zu Beginn habe ich auch Entwicklungen beobachten können. Aber es waren keine echten Veränderungen. Es war vielmehr mein temporäres Verhalten, dass ich änderte. Jedoch nicht meine Persönlichkeit.

Nehmen wir folgendes Beispiel. Ich habe versucht eine klar strukturierte Morgen Routine in meinen Alltag zu integrieren:

  • Morgens um 5 Uhr aufstehen
  • Sport & Yoga machen
  • Lesen
  • Meditieren
  • Reflektierendes Schreiben
  • Kalt Duschen

Das ganze Programm, was Online rauf und runter gebetet wird.

Am Anfang war es super, ich fühlte mich fit und war stolz auf meine Leistung. Dann nach einigen Wochen kam der Trott. Es wirkte alles gleichbleibend. Ich merke keine Veränderung. Wo war das Wachstum? Wo war die Entwicklung? Ich gab auf.

So habe ich es in vielen Bereichen gemerkt und erlebt. Und das ist verdammt frustrierend. „Was bringt das alles, wenn es nichts bringt?“ fragte ich mich.

Für mich war Persönlichkeitsentwicklung wie Bodybuilding:
Mehr stemmen + viel Essen = mehr Muskeln – so oder so ähnlich

In anderen Bereichen zeigte ich mehr Ausdauer und hatte keinen Anspruch an die Resultate. Weil es nicht um Resultate ging, sondern um die Tätigkeit selbst. So beim kalt Duschen, bei der Finanzplanung, beim Lesen und beim Laufen.

Vielleicht ging es bei der Persönlichkeitsentwicklung nicht um persönliches Wachstum. Sondern um etwas ganz anders. Wenn ich Dinge tun möchte, dann möchte ich die Dinge tun und nicht weil ich mir etwas davon erhoffe, auch wenn es einen positiven Nebeneffekt hat!

Beim Kalt Duschen geht es ja auch um das Duschen. Und es ist toll, wenn ich dadurch langfristig an meiner Resilienz arbeite. Aber nur weil ich resilienter werden will, sollte ich nicht kalt duschen. Dann gebe ich schnell wieder auf, weil ich den Prozess nicht zu schätzen weiß.

Man ließt ja auch kein Buch, weil man schlauer werden will, sondern weil einen der Inhalt interessiert. Dass du schlauer wirst, ist der nette Nebeneffekt.

Klar ist trotzdem:

  • Wenn du Dinge bestärken willst, arbeitest du langfristig daran, dass du in diesen Bereichen facettenreicher werden willst.
  • Wenn du Bereiche deines Verhaltens oder deiner Persönlichkeit „loswerden“ willst, kannst du es auf dieselbe Weise rückwärts machen: Indem du dort facettenärmer wirst.

Unsere Facetten sind natürlich auch unsere Gewohnheiten. Und hier gilt metaphorisch:

  • Die Wege, die wir oft gehen werden breiter
  • Gehen wir bestimmte Wege seltener, werden sie schmaler und verschwinden irgendwann ganz

Persönlichkeitsentwicklung passiert nicht über Nacht. Es ist ein Prozess der viel Ausdauer bedarf und vermutlich ein ganzes Leben lang geht. Persönlichkeitsentwicklung handelt nicht von persönlichem Wachstum, sondern von persönlichem Facettenreichtum.

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